Wie Physik Zeitprobleme löst
Manfred Jeitler ist Physiker am Institut für Hochenergiephysik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (HEPHY) und am Kernforschungszentrum CERN in Genf.
Zu Beginn seines Vortrages erklärt Manfred Jeitler, dass mit der Physik alle Zeitprobleme gelöst werden können. Ein Myon lebt zwei Mikrosekunden und entsteht noch in der Atmosphäre durch kosmische Strahlung. Nichts fliegt schneller als das Licht, so Jeitler. Dabei verweist er auf die spezielle Relativitätstheorie: Wenn man sich schnell bewegt, vergeht die Zeit langsamer. Die allgemeine Relativitätstheorie besagt, dass die Zeit in einem Keller auch langsamer vergeht, als etwa im Dachgeschoss, weil man sich im Keller näher am Erdmittelpunkt befindet, wo die Zeit langsamer vergeht. In 100 Jahren wäre man demnach um ein paar Millisekunden jünger, würde man sich stets näher am Erdmittelpunkt befinden. Bei Systemen gibt es ebenfalls eine Möglichkeit, dass diese länger leben. Im Falle der Elementarteilchen nennt die Wissenschaft dies den „Quanten-Zeno-Effekt“. Als Beispiel führt Manfred Jeitler das Schummeln bei einer Schularbeit an: Man schaut ständig auf den Schummelzettel, jedoch kann sich nichts wirklich verändern, wenn es ständig beobachtet wird, da die Wellenfunktion daran gehindert wird, zu kollabieren.
Jeitler bestätigt als Wissenschaftler, dass Zeit tatsächlich Geld sein kann. Als Mitarbeiter am LHC-Experiment „CMS“ ist er der Meinung, dass rasche Entscheidungen Geld sparen können. Er erklärt dabei ein weiteres Kuriosum der Wissenschaft hinsichtlich der Relativität der Zeit, indem er der Frage nachgeht, ob Romulus Augustulus eine Glatze hatte. Aus heutiger Sicht lässt sich dies nicht beweisen, da Romolus Augustulus bereits lange verschieden ist. Auf dem Stern Deneb, im Sternbild Schwan, also 1550 Lichtjahre entfernt, sieht man jetzt gerade, im Jahr 2011, wie Romulus Augustulus geboren wurde. Dieser erblickte im Jahr 461 n. Chr. das Licht der Welt, was zusammengerechnet mit 1150 Jahren das Jahr 2011 ergibt.
Doch auch auf der Erde kann sich die Zeit „verlängern“, so werden die Tage und Nächte länger; allerdings in 100 Jahren nur um zwei Millisekunden. Jeitler erklärt, dass die Zeit jedoch niemals rückwärts laufen kann. Dabei hat er auch das Ende des Universums in Sicht, indem er der Frage nachgeht, was schließlich dazu führen könnte. Dass der Urknall den Beginn unseres Universums darstellt, gilt in der heutigen Wissenschaft meist als Faktum. Was jedoch am Ende allen Seins steht, ist noch umstritten. Die Möglichkeiten reichen vom Wärmetod, dem Big Crunch (alles wird zusammengequetscht), über die ewige Ausdehnung des Universums in eisiger Kälte, bis hin zum Big Rip (alles wird auseinander gerissen). Jeitler favorisiert die letzten beiden Möglichkeiten, also die ewige Ausdehnung in eisiger Kälte oder das Auseinanderreißen des Universums. Hinsichtlich des Weltuntergangs beruhigt Jeitler das Plenum: Ehe die Welt untergeht, erlischt die Sonne. Eine andere Möglichkeit besteht auch in der Selbstauslöschung des Menschen. Eingedenk der gewissen Endlichkeit des Menschen und des gesamten Universums plädiert Jeitler dafür, sich die Zeit zu nehmen, die Zeit zu genießen.
Freitag, 06. Mai 2011