Diskussion mit PETER HEINTEL

Peter Heintel ist emeritierter Professor für Philosophie und kulturelle Nachhaltigkeit an der Universität Klagenfurt und Mitbegründer des Vereins zur Verzögerung der Zeit.

Peter Heintel hebt die verschiedenen Dimensionen der Zeit hervor, welche dem Menschen bekannt und bewusst sind: Es sind dies die physikalische Zeit, also die Uhrzeit, die biomorphe Zeit, also jene, die Körper und Gehirn betrifft, die soziale Zeit, welche beispielsweise Partnerschaften oder Teams in Anspruch nehmen, und die Zeit des Feierns. Dabei verweist Heintel auf ein scheinbares Paradoxon: Die EuropäerInnen gehen in der Regel um 12:30 essen, also zu einem fixen, quasi vorgegebenen Zeitpunkt, und etwa nicht, wenn sie Hunger haben. Jede Tages- und Nachtzeit löst im Menschen gewisse Verhaltensmuster aus.

Wenn wir uns über einen Konflikt ärgern, so braucht dies seine Zeit. Konflikte sind nur dann zu lösen, wenn man ihnen Zeit widmet. Es ist dabei von Vorteil, die Zeit zu „meistern“, also Zeitsouveränität zu lernen und selbst Herr der eigenen Zeit zu sein. Dies haben wir jedoch, so Heintel, im Laufe der Geschichte nicht gelernt. Als Beispiel für den Vorteil dieser Souveränität nennt er autonome Gruppen, denen die Zeitgestaltung selbst überlassen ist und die aufgrund dessen wesentlich produktiver werden.

Im Bereich der Schule wirkt sich die von oben herab aufoktroyierte Zeitgestaltung negativ auf die Leistung Einzelner aus: Die SchülerInnen müssen von einer auf die andere Stunde vollkommen unterschiedliche Inhalte behandeln: Von der Mathematik-Schularbeit zu Karl dem Großen und ähnlichen monumentalen Schritten quer durch die Materie und eben auch die Zeit spricht Peter Heintel und kritisiert die Zeiteinteilung der Schule nach Stunden als völlig dysfunktional.

Doch Zeit hat nicht nur im Bereich der Ausbildung eine eigene Wirkmacht, sondern auch bei Menschen, denen eine vorgegebene Zeiteinteilung fehlt: Langzeitarbeitslose werden beispielsweise langsamer. Wenn sie in die Arbeitslosigkeit fallen, so fallen sie auch in ein Zeitloch. Dann wird versucht, jene Tätigkeiten, die noch geblieben sind, in die Länge zu ziehen. Finden Arbeitslose dann schließlich wieder Arbeit, so tun sie sich schwer, weil in der Zwischenzeit einiges an Beschleunigung stattgefunden hat, so Heintel.

Donnerstag, 05. Mai 2011