KUNST: NORM DER ABWEICHUNG
Doris Rothauer ist Wirtschaftswissenschaftlerin und als Kulturmanagerin und Beraterin an der Schnittstelle zwischen Kunst, Kreativität und Ökonomie tätig. Darüber hinaus ist sie Mitglied im Expertenpool von departure, der Kreativagentur der Stadt Wien, sowie stellvertretende Vorsitzende im Kuratorium des Technischen Museums Wien.
Doris Rothauer verbindet in ihrem Vortrag die Aspekte Ökonomie und Kunst. Dabei verweist sie auf den Wert und das Potential der Kunst im Bereich der Wirtschaft. Die dazugehörige Methode, art-based learning, versucht Künstler als Innovation in wirtschaftlichen Bereichen zu etablieren. Ziel ist es, von der Kunst zu lernen und umgekehrt. Diese Methode wird vor allem dann eingesetzt, wenn business as usual nicht mehr funktioniert und eine Veränderung passieren muss. Fehlende Kreativität und Innovationsfähigkeit wird durch den Einsatz von KünstlerInnen kompensiert. Die Verbindung von Wirtschaft und Kunst wirkt nicht nur horizonterweiternd, sondern auch sehr lehrreich, was sich durchaus auf den ökonomischen Bereich übertragen lässt. Rothauer sieht die Kernkompetenz eines Künstlers in dessen Fähigkeit, sich in Spannungsfeldern zu bewegen und seine Arbeit dazwischen anzusiedeln. Hierzu ist ein ausgeprägtes Improvisationstalent hilfreich.
Im zweiten Teil des Vortrags spricht Doris Rothauer von einem Projekt des Künstlerduos „Reinigungsgesellschaft“, das sich mit dem Verhältnis zwischen Kunst und Kundschaft auseinandergesetzt hat. Dabei wurden 300 deutsche Unternehmen nach den Kernkompetenzen von Top-Managern oder Unternehmern und von Künstlern befragt. Das Ergebnis war eine eher ablehnende Haltung seitens der Unternehmen gegenüber Kreativen. Lediglich im Bereich Marketing und PR war man vom Nutzen kreativer Mitarbeiter für den Betrieb überzeugt. Hierbei konstatiert Rothauer starke stereotype Rollenbilder und Vorstellungen, was Künstler und Kreative sind. Eingedenk dessen kritisiert sie das Vorurteil, kreative Menschen seien unprofessionell, chaotisch, unangepasst und abgehoben. Weiters verteidigt sie die Zunft der KünstlerInnen, indem sie hervorhebt, dass sehr viel Mut und eine visionäre Kompetenz zum Beruf dazugehören: „Denn die Vision ist eigentlich das, was den Künstler leitet, und die Vision umzusetzen und zu erreichen, daran glaubt man als Künstler. Man macht das ohne Kompromisse und das bedeutet auch, dass man ein prekäres Leben aufnimmt, dass man auch dafür weniger bezahlt bekommt oder weniger Wertschätzung erfährt als andere.“ Hierbei spannt sich der Bogen zur Wirtschaft, die von Visionen und vom Mut zur Innovation profitiert.
Bezüglich des Künstlerbildes hebt Rothauer hervor, dass ebendiese Künstlerbilder im Fremdbild entstehen, weil man sich damit nicht auseinandergesetzt hat. Anfang der 20er Jahre wurden Künstlern Krankheiten zugeschrieben, die ihre kreative Kompetenz erklären sollten. Davor sah man im Genie des Künstlers einen göttlichen Funken. Schließlich wurde das Genie mit dem Wahnsinn in Verbindung gebracht. „Wenn wir von Stereotypen reden, dann sind das antiquierte Bilder, die nicht mehr mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Jetzt ist es aber umgekehrt so, dass Künstler diesen Fremdbildern insofern folgen, wenn man das Anders-Sein, das Idealistische, Abgehobene verfolgt.“
Samstag, 18. Mai 2013