Zeit und Ökologie

Sandra Karner ist Wissenschaftlerin am IFZ in Graz und forscht unter anderem zu innovativen landwirtschaftlichen Netzwerken.

Auch Sandra Karner plädiert dafür, sich Zeit zu nehmen – Zeit für sich selbst, aber auch für das Produkt, das man herstellen möchte. Eine Möglichkeit zur Realisierung besteht beispielsweise in experimentellen Produktionsweisen. Andererseits muss man in aber auch mehr Zeit für den Einkauf der Produkte aufwenden und nicht einen One-Stop-Shop erwarten wie in einem Supermarkt. Produkte, die in alternativen Systemen produziert werden, sind grundsätzlich teurer, da mehr Wert eingesetzt wird und die gesamte Struktur mehr Zeit benötigt. Darauf basiert eine Qualitätssteigerung, die sich aber auch in Geld ausdrückt. Bei alternativen Systemen gibt es auch ein anderes Bewusstsein im Sinne des jahreszeitlichen Verlaufs. Wir sind es gewohnt, das ganze Jahr hindurch eine breite Produktpalette angeboten zu bekommen. In alternativen Systemen gibt es manchmal bestimmte Dinge nur zu bestimmten Jahreszeiten.

Auch bei rechtlichen Angelegenheiten spielt der Faktor Zeit eine wichtige Rolle: Wenn Käse vermarket wird, gibt es strenge rechtliche Auflagen. Diese Rahmenbedingungen wurden aber eigentlich für die industrielle Vermarktung gestaltet. In einer ökologischen Produktion bedarf es aber anderer rechtlicher Rahmenbedingungen, da die Vermarktungsketten hier kürzer sind.
    
In puncto Geld ist ebenfalls ein Unterschied zwischen herkömmlichen und alternativen Produktionssystemen festzustellen: Mehr Qualität bedeutet mehr Zeitaufwand, was wiederum mehr Kosten verursacht; dabei geht es auch um Wertschätzung. Karner bringt das Beispiel „Slow Food“: Es ist dies ihrer Meinung nach etwas sehr Exklusives, das sich nicht jeder leisten kann. Es gibt aber auch Systeme, bei denen nicht die Exklusivität des hohen Preises vorausgesetzt wird. Wertschätzung ist auch durch andere Formen als durch die finanzielle Abgeltung möglich, betont Karner. Eine solche andere Form ist beispielsweise das Vertrauen. Spezielle Regionen, etwa Genussregionen, werden häufig als Marketing-Aktion abgetan. Ökonomische Überlebensfähigkeit bedingt auch Marketing, sodass ebendieses legitim wird. Persönlicher Kontakt schafft wiederum Vertrauensbeziehungen, wodurch Gütesiegel oder ähnliche Prädikate obsolet werden. Marketing wird erst dann notwendig, wenn der direkte Kontakt zum Produzenten fehlt. Diese Direktvermarktung nimmt bei uns ab, während sie in anderen Ländern zunimmt.

In Bezug auf die (hohen) Qualitätsansprüche des Kunden kritisiert Karner gleichsam den Unwillen, höhere Kosten in Kauf zu nehmen: Wer hochqualitative Produkte haben will, muss auch bereit sein, einen höheren Preis dafür zu bezahlen. Im Zuge dessen betont Karner mit Nachdruck, sich nicht vorgaukeln zu lassen, dass der Supermarkt dieselbe Qualität wie ein bäuerlicher Betrieb anbieten kann, noch dazu um viel weniger Geld. Dies ist eine falsche Logik, derer man sich bewusst werden muss.

Freitag, 06. Mai 2011