WIRTSCHAFT UND INNOVATION

Gerin Trautenberger ist Art-/Kreativ­direktor, stellvertretender Vorsitzender der creativ wirtschaft austria und im Vorstand der European-Design Innovation Initiative. Er setzt sich mit Designinnovation und regionaler Politikentwicklung auseinander.

Gerin Trautenberger setzt bei seinem Vorredner an und führt Schumpeters Begriff der kreativen Zerstörung als wesentlichen Aspekt seiner Darstellungen und Arbeit ein. Als zweiten Punkt nennt er den Begriff der „Creative Class“ von Richard Florida und geht der Frage nach, wie es zu einer kreativen Atmosphäre kommen kann. Im Hauptteil seiner Darlegungen beschäftigt sich Trautenberger mit der Designinnovation und ihrer Rolle bezüglich Wachstum, Wohlstand und Nachhaltigkeit. Dies zu erforschen ist gleichzeitig Auftrag seitens der Europäischen Union und Arbeitsfeld Trautenbergers. Er bemerkt, dass Design durch einen nutzorientierten Ansatz eine Lösung von gesellschaftlichen Problemen bietet. Dieser Nutzen soll sowohl auf europäischer als auch auf lokaler/österreichischer Ebene erforscht werden. Dabei ist festzustellen, dass die Wertschöpfung des produzierenden Gewerbes in den 80er Jahren (USA, OECD, EU) noch mit 25-20%, heute jedoch mit 15% und darunter festzulegen ist. Diese Zahlen ergeben sich zusammengerechnet aus dem Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt und belegen, dass in den letzten Jahren Arbeitsplätze und Fachkräfte sowie Knowhow verloren gehen und Lehrlinge nicht mehr beschäftigt werden. Dabei ist eine ähnliche Tendenz etwa auch für Deutschland oder Großbritannien festzustellen. Die Antwort auf die Frage, was diese Entwicklung für die Zukunft bedeutet, sieht Trautenberger im Design. Design und Kreativwirtschaft helfen, die Produktion wieder zu erhöhen. In Österreich gibt es insgesamt 356.000 Unternehmen, wovon 10% Kreativwirtschafsunternehmen ausmachen. Diese 10% – das sind 127.000 Beschäftigte und 92.000 Selbstständige – produzieren eine Wertschöpfung von 18,5 Milliarden Euro brutto (7 Milliarden netto). Dieser Anteil ist größer als jener der Pharmaindustrie, sogar größer als jener der Tourismusbranche. Trautenberger bemerkt dabei, dass Kreativwirtschaft oft kein großes Werk ausmacht, sondern häufig individuell, vereinzelt und überall stattfindet. Laut einer englischen Studie bringt ein Investment von 100 Euro in die Kreativwirtschaft 250 Euro zurück, was den Wert der Kreativwirtschaft beweist. In Österreich konzentriert sich die Kreativwirtschaft in den Ballungszentren, allen voran Wien und Graz. Dies stellt wiederum Fragen nach den Standortfaktoren, wieso Menschen aufs Land gehen, um kreativ zu arbeiten, Forschungs- und Entwicklungsinfrastruktur, Zugang zum Arbeitsmarkt, Nähe zu Kunden und Partnern, Verkehr und dessen Infrastruktur, Milieus, Bildungseinrichtungen und Immobilienpreise, sowohl für den Arbeitsplatz als auch den Wohnort. Gegenüber dem Land hat die Stadt beispielsweise höhere Grundkosten. Dies veranlasst viele Menschen aus der Kreativwirtschaft, ihrer Arbeit am Land nachzugehen. Diese Creative Industries helfen wiederum, einen Ort, eine Region, eine Marke zu bilden und einen Strukturwandel beziehungsweise eine Veränderung durchzuführen. Trautenberger hebt die wichtige Rolle von kreativen Menschen bei der Krisenbewältigung hervor. Auch helfen sie beim Aufbau eines resilienten Systems, das nicht nur nachhaltig, sondern auch sozial verträglich und umweltschonend funktioniert. Dabei werden lokale Angebote gestärkt, neue Ideen, Modelle und Methoden von Kreativen entwickelt und die Region aufgewertet.

Auf europäischer Ebene wurden in den letzten Jahren 534 Projekte seitens der EU gefördert, was einem Volumen von 1,8 Milliarden Euro entspricht. Davon fallen 80% auf Kunst- und Kulturprojekte und lediglich 20% auf Jobs in der Kreativwirtschaft, was Trautenberger kritisiert. Gleichsam fordert er, die Kulturfonds und die regionalen Fonds effektiver zu nutzen, um interessante Projekte zu verwirklichen. Die Kreativwirtschaft selbst ist dabei höchst vielgestaltig. Wichtig ist, dass ein Wertschöpfungssystem aufgebaut wird, das auch längerfristig existieren kann. Dieses System überbrückt die fehlende große Firma und verbindet die individuellen Arbeitsprozesse in Entwicklung und Produktion.

Als dritten Aspekt führt Trautenberger die Lehrlings- und Berufsausbildung an und hebt die gute Ausgangsposition Österreichs, vor allem hinsichtlich der niedrigen Jugendarbeitslosigkeit, hervor. Weiters lobt er die Lehrlingsausbildung nach österreichischem Modell, das Fachkräfte ausbildet und nicht nur anlernt, wie etwa in Spanien, Frankreich oder Griechenland. Bezüglich Designs plant Trautenberger eine Art Versuchsgruppe für Design-Lehrlinge mit dem Ziel, Design zu lehren. Es geht auch darum, dass Betriebe lernen, mit Designern und Kreativen zusammenzuarbeiten. Damit geht auch das Projekt Open Design einher, wo es darum geht, wie Kreative aus ganz Europa/Österreich zusammenarbeiten können, ohne Anwälte zu beschäftigen. Wesentlich ist dabei die Frage nach dem Urheberrecht kreativer Leistungen, die ins Internet gestellt werden und von jedermann heruntergeladen werden können, ohne dass das Produkt verkauft wird. Wenn damit Umsatz gemacht werden soll, tritt der Interessent mit dem Urheber in Kontakt; wichtig ist dabei, den Namen des Künstlers zu nennen, dessen Produkt verwendet wird. Fehlende Transportkosten, Produktion on demand und lokale Wertschöpfung sind weitere positive Aspekte dieses Projekts. In dieser eigenen, individuellen Produktion, online zur Verfügung gestellt, ortet Trautenberger die Zukunft für Design.

Freitag, 17. Mai 2013