Diskusion mit BERND LÖTSCH

Bernd Lötsch absolvierte ein Studium der Biologie und Chemie an der Universität Wien und beschäftigt sich mit großen Umweltkonflikten, zum Beispiel Agrochemie, Stadtökologie oder wissenschaftlicher Nuklearkritik. Seit 1980 übt Lötsch eine Lehrtätigkeit in Humanökologie an der Universität Wien aus. Ab 1985 ist er Vorsitzender in der Ökologiekommission der Regierung, von 1986 bis 1991 in der Nationalparkplanung engagiert, von 1994 bis 2009 fungierte er als Generaldirektor des Naturhistorischen Museums Wien und ab 2010 als Senior Scientist an der von ihm gegründeten Abteilung Ökologie des Naturhistorischen Museums samt Experimental Ökohaus Petronell und Naturführer Akademie.

Bernd Lötsch verweist in der Frage, ob Optimismus hinsichtlich der vergangenen und gegenwärtigen Umweltprobleme angebracht ist, auf seine eigene Karriere im Bereich der wissenschaftlichen Erforschung der Umwelt. Sein Einstieg in die Umweltfrage war 1969 als Universitätsassistent und Biochemiker. Damals war Bleibenzin ein umstrittenes Thema: Lötsch stieß sich an der Tatsache, dass hochgiftige Schwermetalle nicht nur die Umwelt verschmutzten, sondern auch eine Bedrohung für Menschen darstellten; jahrelang wurden Schäden in Kauf genommen. Schließlich schaffte Österreich als eines der ersten Länder Europas, Benzin zu entbleien. Dabei stellt er die Frage, was das relativ kleine Österreich, ein Land, das eine Promille der Weltbevölkerung stellt, zur Weltverbesserung beitragen kann. Lötsch ortet darin eine große Chance, immerhin hat Österreich als Industrieland bewusst auf Atomenergie verzichtet. Gegenwärtig wird Österreich ob seines Auftretens gegen die Gentechnik in der Nahrungsmittelproduktion geachtet. Innerhalb von zwei Jahrzehnten hat Österreich darüber hinaus sechs Nationalparks gegründet, wobei fünf davon von Bürgerinitiativen gegen den Willen der Regierenden und mächtiger Kraftwerkskonzerne durchgesetzt worden sind. Überspitzt formuliert bezeichnet Lötsch die Republik Österreich als große Baufirma, womit er ein weiteres, modernes Phänomen in Bezug auf Umwelt und Umweltpolitik anspricht: Österreich kann Vorbild sein, doch liegt dies in erster Linie nicht am technologischen Fortschritt, sondern an der Belebung des demokratischen Widerstands. Er ist der Meinung, dass wir alles ebendiesem Widerstand verdanken. Die Umweltfrage ist zweifelsohne ein naturwissenschaftliches und technologisches Thema, aber in allererster Linie ein psychologisches.

Auch im Bereich der biologischen Landwirtschaft ortet Lötsch ein psychologisches Moment. Österreich hat mit 20.000 Bio-Betrieben die höchste Bio-Produktionsquote pro Kopf im gesamten EU-Raum; dies schützt die Biodiversität, das Grundwasser und die Eigenregulation der Natur. Bei der Bio-Landwirtschaft gehört auch ein gewisses Maß an Sturheit und Querdenken dazu. Die Sondervermarktung hilft beim wirtschaftlich erfolgreichen Vertrieb der Waren. Das größte Problem der biologischen Landwirtschaft heute ist, laut Lötsch, der Einstieg großer Betriebe und Konzerne in den Bio-Markt. Ursprünglich war der biologische Anbau dazu gedacht, Bäuerlichkeit und kleinere (Familien)Betriebe zu erhalten. Die EU-Förderung wird jedoch nach der Anbaufläche berechnet, sodass der kleinere bäuerliche Betrieb weniger als die großen Konzerne zur Verfügung hat, sodass sich Lötsch für einen Ausgleich dieses Fördersystems ausspricht. „Wenn es nicht gelingt, die weltweite landwirtschaftliche Nahrungsproduktion Schritt für Schritt auf die organisch-biologische respektive ökologische Basis zu stellen, dann ist diese Welt nicht zu retten“, prognostiziert Lötsch. Dabei ist auch eine Umstellung der Ernährung erforderlich: Der Fleischkonsum sollte drastisch gesenkt und die Erhaltung von Agrarflächen für die menschliche Ernährung gewährleistet werden.

Samstag, 17. Mai 2014